Fußball und Management: Ziele vs. Visionen

Am Dienstag saß ich mit einem Manager eines sehr bekannten Unternehmens beim Mittagessen und wir kamen (nicht wirklich überraschend) auf das Thema Organisationsentwicklung und Veränderung zu sprechen. Praktisch zeitgleich mit dem Eintreffen der deutschen Fußballnationalmannschaft, des neuen Weltmeisters, in Berlin. Da ich selber seit 50 Jahren Fußball spiele, habe ich diese Metapher für gelingende Organisation immer sehr authentisch im Köcher.
140717_DFB WM2014_news-de_joker-goetze-schiesst-deutschland-zum-vierten-wm-titel-1405326966 Und als wir über Ziele sprachen, habe ich in einem Nebensatz die Unterscheidung zu Visionen hinterfragt, und es stellte sich heraus, dass mein Gegenüber – obwohl er auch schon viele Berater und Strategieentwickler im Unternehmen erlebt hatte – diesen Unterschied nicht klar angeben konnte. Dann habe ich einfach das Projekt „WM 2014“ genommen und gesagt, dass Joachim Löw ganz bestimmt nicht den Gewinn des WM-Titels als „Ziel“ erklärt hat, sondern dass das eine „Vision“ ist. Seinen staunenden Blick konnte ich auflösen, als ich erklärte, dass weder Löw noch die Mannschaft den Titelgewinn vor einer Endspielbeteiligung wirklich erreichen können.

Denn gute Ziele sind erreichbar (vielleicht kennen Sie S.M.A.R.T. – Ziele, das R steht für realistisch). Und genau das wurde der WM-Titel erst, als das deutsche Team das Halbfinale gewonnen hatte. Aus diesem Grund betonen geschickte Trainer immer so sehr, wie wichtig es ist, das nächste Spiel im Kopf zu haben, nie das übernächste oder noch weiter voraus (wer zu weit vor-aus denkt, steht vor dem aus – sagt mein Sprach- u. Bedeutungsspieler …).

Damit bleibt der Gesamtprozess auf einem realistischen Pfad. Dazu gehört übrigens auch, dass historische Siege wie das 7:1 gegen Brasilien nicht überemotionalisiert werden, denn es ist und bleibt eben bloß ein Schritt im Gesamtprozess. Das haben alle Spieler verstanden, verinnerlicht und auch gelebt (siehe die Interviews danach) – und es ist das Verdienst von Löw und seines Managementteams, diese Werte und die Unterschiede von Ziel und Vision für sich so klar, und als Folge davon, in der Mannschaft nachhaltig installiert und konfiguriert zu haben – innerlich wie äußerlich.

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ – an dieser Stelle widerspreche Helmut Schmidt ausnahmsweise sehr deutlich; und ich möchte seine Aussage sogar umkehren: Wer keine Visionen hat, der sollte einen Arzt oder Therapeuten oder einen (systemischen) Berater aufsuchen …

In jedwedem Sinne: Viel Erfolg!
Claus Riehle

P.S.: Über die besondere soziale Kompetenz, die ich seit Jahren bei Joachim Löw zu beobachten glaube, habe ich mich schon zur letzten Europameisterschaft in der Zeitschrift Lernende Organisation geäußert. Den Artikel (2012, LO68) schicke ich Ihnen gerne bei Interesse …

Schlagworte: #Fußball, #Management, #Ziele, #Visionen, #Löw, #WM2014, #INTERdisziplin

Bildquelle: www.news.de, Antonio Lacerda/dpa

2 Gedanken zu „Fußball und Management: Ziele vs. Visionen

  1. Anja Frettlöh

    Lieber Herr Riehle!
    Ich stimme Ihnen voll zu und freue mich, wenn Sie mir auch den angesprochenen Artikel mailen. Weiterhin viel Erfolg!

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