Archiv der Kategorie: INTERdisziplin

Komme was wolle …

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Komme was Wolle –
rote Fäden für Werte & Ziele …

 

 

 

 
Wenn Wohl und Wille
ein gutes Netzwerk schaffen,
dann erstrickt sich
ein farbenfrohes Gehaltensein;
eine wirksame Organisation,
im Kleinen
wie im Großen.

Wort und Wille –
orientieren
das psycho-soziale
Strickwerk …

Werte und Wille –
knüpfen  ein Erfülltes;
erschaffen
ein emergentes Mehr …

von mir,
von Dir –
und auch von Teams …

Etwas Wolle braucht der Mensch;
zu seinem Wohle – und auch Wille –
komme was wolle …

 

Der Traum „vom autonomen Auto“ …

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Autohersteller auf der US-Messe CES (2015)

Der Traum vom Fahren ist offenbar, nicht mehr fahren zu müssen, zumindest wenn fahren „Führen“ bzw. „Steuern“ bedeutet. So wird es zumindest auf der diesjährigen Messe in Las Vegas eindrucksvoll (weil emotional) kommuniziert (tagesschau vom 6.1.2015).

Wenn das Automobil letzten Endes auto-mobil wird, dann hat der Fahrzeugführer an Einfluss verloren, denn die Entscheidung für oder gegen eine Aktion wird ihm abgenommen. Was vor Jahren mit den „intelligenten Kopierern“ in unseren Büros angefangen hat, wird in den kommenden Jahren bis Jahrzehnten in einer Autonomisierung der Maschinen gipfeln.

Das kann Mann oder Frau auf der einen Seite als Erleichterung empfinden, auf der anderen Seite müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass damit dem Menschen ein weiteres Trainingsfeld für Entscheiden und Handeln weggenommen wird. Und wie wollen wir Handeln können, wenn wir nie geübt haben mit Unsicherheit umzugehen, von der Verantwortung des eigenen Handelns ganz zu schweigen. Die Nachwachsenden haben m.E. auch zunehmend weniger „Landkarten“ im Kopf, denn die Orientierung übernimmt „das Navi“. Dem überlassen wir die Entscheidung, wie wir fahren (ich ver- oder überlasse mich beispielsweise deutlich weniger dem Navi als meine Söhne …) – manchmal ist es besser, manchmal nicht.

Wenn wir es als Luxus betrachten, nicht mehr enstscheiden zu müssen, dann ist ein „Auto-Auto“ in der Tat ein Luxusgut. Wenn wir hingegen Entscheidungsfähigkeit als ein Lebensmerkmal ansehen, dann schimmert durch solche Luxusgüter ein Etwas, dem zu erliegen zur Folge haben könnte, das Menschliche langfristig zu erlegen (in Organisationen ist das m.E. auch zu beobachten …). Wo wollen wir Entscheidungskompetenz langfristig verorten: in uns oder außerhalb von uns, in einem System oder außerhalb des jeweiligen Systems – das scheint mir im Kontext von Führung eine spannende Frage zu sein.

Und letztlich: Das alles hat ganz viel mit Bildung zu tun, jedoch weniger mit dem, was landläufig mit „Wissen“ bezeichnet wird. Denn es geht ganz eigentlich darum, eine Kompetenz für die Handhabung von Unsicherheit zu entwickeln, erst daraus entwickelt sich „Sicherheit“ für lebende Systeme. Deshalb kann man „Un-Sicherheit“ auch als einen (positiven) Wert ansehen; und verschwinden wird sie allemal nicht, denn sie wesentlicher Bestandteil des Lebendigen …

Zurück zum Ausgangspunkt: Das Auto-Auto (sozusagen ein Automobil 2. Ordnung) wird mit Sicherheit kommen und ich kann dem auch einiges abgewinnen (d.h. Interessantes visionieren), allerdings weniger gut, wenn ich als (schleichende) Gegenleistung auf meine Autonomie verzichten soll. Also gilt es zu danach zu fahnden, wo die autonomen Felder für das Menschsein im 21. Jahrhundert liegen könnten – das hätte etwas von neuem Freiraum. Das hat etwas von: eine andere liberale Idee braucht es. Gesucht wird demnach ein Gegen-Wert zur allgemeinen Auto-Auto-Tendenz in einer zunehmend durchoperationalisierten Postmoderne, das wäre eine Art neue liberale Qualität, die mehr Sinn macht – aber das ist ja auch nicht neu …

P.S.: Dass in den 90er-Jahren dazu übergangen wurde, die Autobahnausfahrten mit Nummern zu versehen, ist ein weiteres kleines, aus meiner Sicht jedoch konkretes Beispiel, wie wir die Ausbildung von mentalen Landkarten („mind maps“) eher unterdrücken als förderrn. Denn so praktisch eine Zahl gerade wegen ihrer Abstraktheit ist (sie sind absolut wert-voll in der Relation), so tragisch ist, dass durch ihre Verwendung bei der Bezeichnung von Ausfahrten in realen Landschaften, die neuronale Vernetzung mit der lokalen Region mit Namen, Bild, Emotion usw. entkoppelt wird. Auf Dauer hat das eine entfremdende Wirkung – die sich auch in der Alltagssprache abbildet: „Da musst die Ausfahrt 37 nehmen …“

Das Beobachten des Beobachtens …

What a difference 8 years makes. St. Peter's Square in 2005 vs. 2013. #NBCPope

A photo posted by NBC News (@nbcnews) on

Das Beobachten des Beobachtens braucht auch Beobachter …
Hier mein Gedachtes – also das bei und in mir selbst Beobachtete – zu dem Bild:
– Das Beobachten ändert sich …
– Wir beobachten indirekter als früher …
– weil wir das Beobachten beobachten (dokumentieren) …
– und das wiederum beobachten;
– das Bild repräsentiert eine beobachtete Beobachterdifferenz …

Und wenn ich den Text in der Süddeutschen dazu lese, klingt auch an, dass die Differenz vielleicht „gemacht“, also im Sinne von konstruiert sein könnte (auch das noch!) …

Wie uns das alles beeinflusst, verändert und nachhaltig (kulturell) wirkt, ist vermutlich noch gar nicht abzusehen. Jedenfalls ist es noch eine Steigerung von Dazwischenlegen (vgl. „intelegere“) – und „Intellekt“ meint nicht automatisch „gut“ …

Apropos „Geist“: Wir haben vor Weihanchten in der Comdia in Köln den Zauberling von Goethe rezitiert …

Gibt es eien Auftrag für Beobachten? Von Dürenmatt habe ich den 80er Jahren dazu ein interessantes Buch gelesen:

  • Friedrich Dürrenmatt: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter. Novelle in 24 Sätzen. Diogenes Verlag, Zürich 1988, ISBN 3-257-21662-9.

Da wusste ich von „dem Systemischen“ noch gar nix, setzte mich allerdings bedingt durch meine Ausbildung mit wechselwirkenden Systemen und mit mit der Wirkung des Beobachtens am Beispiel von „Schrödingers Katze“ auseinander …

Werde dieses Buch 2015 nochmal aus dem Karton holen …

„Mittelorientierung anstatt Zielorientierung“

„Für uns war es […] von Vorteil keine Sales-Erfahrung mitzubringen, denn wir haben uns um das allgemein gültige Wissen zum Thema Sales nicht gekümmert. Das hat uns einzigartig in den Augen vieler Kunden gemacht und uns die erwähnten jährlichen Steigerungen, in einzelnen Jahren Verdoppelungen der Erlöse eingebracht und gleichzeitig eine stabile Basis für langfristige Kundenbeziehungen geschaffen. Wie ich später lernen durfte, ist ein Salesprozess im klassischen Sinn sehr zielorientiert: Man erstellt Accountpläne, Marketingpläne, Marktstudien, Buying Center Analysen und vieles mehr. Und obgleich diese Instrumente irgendwo, irgendwann einen Sinn gehabt haben mögen, oder ihn vielleicht noch immer haben – was genau hätte mir das beim Verkauf meiner Dienstleistungen aus dem Blickwinkel des Jahres 2008 gebraucht? Hätte ich mich sechs Monate mit Accountplänen beschäftigen sollen, um festzustellen, dass die ausgearbeiteten Targetkunden keinen Bedarf an meinen Dienstleistungen haben, und in der Folge frustriert aus dem Markt ausscheiden, weil wir ohnedies nach weiteren sechs Monaten nichts verkauft haben? Die Frage hat sich für uns nicht gestellt. Wir wussten erstmal nichts über Sales und es kümmerte uns auch nicht. Mein Team und ich gingen eher mittelorientiert denn zielorientiert an das Thema.“ Sonja Radatz, im Trendbuch 2014 (tiny.cc/a346ix).

Wenn wir über „Unternehmen“ sprechen, denken wir zu sehr in Ergebnissen und Resultaten, statt in der eigentlichen Tätigkeit, im „unternehmen“. Schon Weick hat auf diesen sprachlichen Umstand hingewiesen, der allein durch den unterschiedlichen Gebrauch von Verben oder von Substantiven eine unterschiedliche Wirkung erzielt: „Wenn Organisationsforscher im Gebrauch von Substantiven geizig, im Gebrauch von Verben freigiebig und im Gebrauch von Gerundien verschwenderisch werden würden, dann würde Prozessen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, und wir würden mehr darüber erfahren, wie man sie begreifen und lenken kann.“ (Weick 1995, Der Prozess der Organisierens),

Ich habe ein verfahrenstechnisches Verständnis von Organisation, denn sie dient im weitesten Sinn einer „Stoff-Umwandlung“, wobei „Roh-Stoffe“ hart, „soft“ und hochanpassungsfähig sein können: Hardware, Software und eben der Mensch – alles auch Bestandteile moderner lebender Organisationen. Es ist daher von nachhaltigem Wert, mehr Aufmerksamkeit auf die Mittel als auf die Ziel zu legen, denn Ziele kann man auch haben, wenn die Mittel ausgegangen sind – in dieser Situation werden „Ziele“ als Wunschvorstellungen erkannt, machmal auch enttarnt.

Fußball und Management: Ziele vs. Visionen

Am Dienstag saß ich mit einem Manager eines sehr bekannten Unternehmens beim Mittagessen und wir kamen (nicht wirklich überraschend) auf das Thema Organisationsentwicklung und Veränderung zu sprechen. Praktisch zeitgleich mit dem Eintreffen der deutschen Fußballnationalmannschaft, des neuen Weltmeisters, in Berlin. Da ich selber seit 50 Jahren Fußball spiele, habe ich diese Metapher für gelingende Organisation immer sehr authentisch im Köcher.
140717_DFB WM2014_news-de_joker-goetze-schiesst-deutschland-zum-vierten-wm-titel-1405326966 Und als wir über Ziele sprachen, habe ich in einem Nebensatz die Unterscheidung zu Visionen hinterfragt, und es stellte sich heraus, dass mein Gegenüber – obwohl er auch schon viele Berater und Strategieentwickler im Unternehmen erlebt hatte – diesen Unterschied nicht klar angeben konnte. Dann habe ich einfach das Projekt „WM 2014“ genommen und gesagt, dass Joachim Löw ganz bestimmt nicht den Gewinn des WM-Titels als „Ziel“ erklärt hat, sondern dass das eine „Vision“ ist. Seinen staunenden Blick konnte ich auflösen, als ich erklärte, dass weder Löw noch die Mannschaft den Titelgewinn vor einer Endspielbeteiligung wirklich erreichen können.

Denn gute Ziele sind erreichbar (vielleicht kennen Sie S.M.A.R.T. – Ziele, das R steht für realistisch). Und genau das wurde der WM-Titel erst, als das deutsche Team das Halbfinale gewonnen hatte. Aus diesem Grund betonen geschickte Trainer immer so sehr, wie wichtig es ist, das nächste Spiel im Kopf zu haben, nie das übernächste oder noch weiter voraus (wer zu weit vor-aus denkt, steht vor dem aus – sagt mein Sprach- u. Bedeutungsspieler …).

Damit bleibt der Gesamtprozess auf einem realistischen Pfad. Dazu gehört übrigens auch, dass historische Siege wie das 7:1 gegen Brasilien nicht überemotionalisiert werden, denn es ist und bleibt eben bloß ein Schritt im Gesamtprozess. Das haben alle Spieler verstanden, verinnerlicht und auch gelebt (siehe die Interviews danach) – und es ist das Verdienst von Löw und seines Managementteams, diese Werte und die Unterschiede von Ziel und Vision für sich so klar, und als Folge davon, in der Mannschaft nachhaltig installiert und konfiguriert zu haben – innerlich wie äußerlich.

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ – an dieser Stelle widerspreche Helmut Schmidt ausnahmsweise sehr deutlich; und ich möchte seine Aussage sogar umkehren: Wer keine Visionen hat, der sollte einen Arzt oder Therapeuten oder einen (systemischen) Berater aufsuchen …

In jedwedem Sinne: Viel Erfolg!
Claus Riehle

P.S.: Über die besondere soziale Kompetenz, die ich seit Jahren bei Joachim Löw zu beobachten glaube, habe ich mich schon zur letzten Europameisterschaft in der Zeitschrift Lernende Organisation geäußert. Den Artikel (2012, LO68) schicke ich Ihnen gerne bei Interesse …

Schlagworte: #Fußball, #Management, #Ziele, #Visionen, #Löw, #WM2014, #INTERdisziplin

Bildquelle: www.news.de, Antonio Lacerda/dpa

Interdiscipline and soccer – the potential for growth …

140711_DFB-WM-KaderINTERdiszipline – it’s potential for holistic growth is visualized and demonstrated by the soccer game – especially the German team when winning the World Championship 2014 in Brasil.

The WM2014 showed – once again – that team success is not only based on diversity and individual excellence but also on an excellent integration and continous interaction of diverse and focused individuals.

Joachim Löw and his German soccer team is as an example, a Best Practice case for organizational development – my deep congratulations!

The DFB togehter with Jürgen Klinsmann and Joachim Löw and their management team demonstrated what sustainability does really mean:
– 4x semi-final
– 2x final
– 1x World Champion
– since 2002!
Sustainability is more than looking for quick wins – and selling those.

Balancing excellent individuals, their excellent interactions by a vision and a concrete focus can create sustainable success of social systems such as teams, companies and other living systems.

Interdiscipline – the art of systemic.

(#team, #livingsystem, #organization, #management, #excellence, #sustainability, #soccer, #Löw, #bestpractice, #interdiscipline)

Bildquelle: www.dfb.de

„Eigen-Werte“, Verhaltensmuster und stabile Zustände

Folie1Lassen sich Verhaltensmuster von Menschen auflösen, wenn Frau oder Mann sie erkannt hat?

Auflösen lassen sich Verhaltensmuster aus meiner Sicht eher nicht, da sie ja „erfolgreiche“ Antworten im SInne von gut eingeübt und „damit weiter gekommen“ darstellen. Ein routinehaftes Verhalten eines lebenden Systems für die Interaktion mit seiner Umwelt hat sich offenbar in irgendeiner Weise bewährt, sonst wäre es ja zu keiner „Routine“ geworden. Für vielversprechender halte ich, weitere Handlungsaubläufe zu entwickeln und nach und nach zur Routine werden zu lassen, denn dadurch erhöhe ich meine Auswahl an Möglichkeiten für Verhalten bzw. Systemantworten bei Interaktionen mit der Umwelt.

Während uns Neues mehr oder weniger verunsichert, weil wir dafür keine passenden Antworten haben, stabilisert uns Bewährtes. Wir bevorzugen daher eingeübte Verhaltensmuster. Auflösen im SInne von „Austreiben“ oder „Wegmachen“ lassen sie sich daher wohl kaum, da sie biochemisch-physikalisch codiert in unserem Erfahrungskörper codiert, man könnte auch sagen „eingebrannt“, sind. Jedoch können wir weitere dazu lernen, damit wir anfangs bewusst, später auch unbewusst, über mehr Alternativen verfügen können.

In komplexen Systemen der Physik und Mathematik nennt man solche Muster „Eigen-Werte“ (engl. „Eigen-Value“, vgl. Quantenmechanik und Gleichungssysteme), in der Chaostheorie „Seltsame Atttraktoren“ (engl. „Strange Attratctors“) und in der Ethik spricht man von „Werten“. Denn die Werte einer Gesellschaft tragen offenbar dazu bei, sie zu stabiliseren. Denn es gibt sowohl in sozialen Systemen (Organisationspsychen) wie auch in Einzelpsychen (Mensch)  „stabile Zustände“, die bevorzugt werden oder zu bevorzugen sind, wenn das jeweilige System weiterhin existieren möchte.

Ich habe gerade dazu vor 2 Tagen im Rahmen des Erasmus-IP-Projekts „Engineering Visions“ eine interdisziplinäre Betrachtung vorgestellt, in dem ich einen von  acht „Inspiring Lectures“ an der HTW in Saarbrücken gehalten habe. Mein Beitrag hatte den Titel: „Living Systems – Eigen-Values, i-Formation & inter-Action“.

Bildung und Fallpauschalen: Fertigkeiten statt Fertigung …

Wenn „Bildung“ vermittelbar wäre, dann hieße es nicht Bildung sondern Vermittlung; d.h. die Bezeichnung für den Prozess finde ich durchaus passend, allerdings nicht, was daraus gemacht wurde bzw. vielfach (noch) gemacht wird.  „Wissen“ ist nach meinem Verständnis auch nicht vermittelbar, sondern nur erfahrbar (hier spielt der Unterschied zu Information eine Rolle).

Und Bildungsziele sind auch wunderbar. Wenn jedoch „Zielplanung“ meint, dass der Bildungsprozess bei lebenden Systemen kalkulierbar sein muss wie der Fertigungsprozess in einer Produktion, dann geht der Unterschied des Lebendigen, man könnte auch sagen des Menschseins, verloren. Das Ergebnis sind „fertige“ Absolventen, statt Absolventen mit Fertigkeiten.

Wozu diese, ich nenne sie mal „kalte Operationalisierung“ führt, sieht Mann und Frau im Bereich Gesundheitswesen, z.B. in vielen Arztpraxen oder Krankenhäusern: werde ich dort als Mensch oder als Fall(Pauschale) wahrgenommen.

Und in Bildungseinrichtungen? Werden da Menschen oder künftige Funktionselemente einer operationalisierten Gesellschaft unterrichtet: G8 ist doch Ausdruck eines „effizienten“ Konditionierungsversuchs und steht damit in Kontrast zu Bildung, wo etwas unter Zugeständnis von Dauer heranreifen kann: wenn nämlich aus Fähigkeiten Fertigkeiten entwickelt werden (was ich als „die Straße des Gelingens“ bezeichne).

Übrigens, die Rückwirkungen auf die Mitglieder der Organisation Schule waren auch bei G9 schon bekannt: Die als Bildungsvermittler eingestellten Kräfte, einstmals durchaus motiviert angetreten, schlagen irgendwann völlig verunsichert (weil ohne Selbstvertrauen) und damit entkräftet in den für Heilung gedachten EInrichtungen (s.o.) als Fallpauschalen mit Depression, Frustration, Burnout etc. auf. Und dann ist der nächste Schritt häufig Frühverrentung.

Und es ist unvermeidbar, dass all das „vor-bildlich“ auf Reifungsprozesse von Heranwachsenden wirkt – wie auch auf die anderen Gesellschaftsglieder …

 

Querhandeln, Weiterbildung und Zwischenraumfahrer

Zur „Weiter-Bildung“ von Systeminnenräumen …

Lebenslangen Lernen ist in vielen Mündern: in denen der Unternehmensorganisation ebenso wie in denen von Instituten und staatlichen Einrichtungen. Also ob wir auch nicht lernen könnten, wenn wir leben. Denn jeder findet sich in einem Umfeld wieder („der Kontext“), in dem er mehr oder weniger aktiv ist. Er wird z.B. selbst tätig – oder er lässt sich betätigen, was wir dann „funktionieren“ verbinden. Wenn die Tätigkeit untätig ist, dann reden wir von „sich bedienen lassen“. Diese unterschiedlichen Aktionsmodi kennen Sie vermutlich aus Ihrer Arbeits- und Familienkultur. Eltern kennen es gut von Pubertierenden. „Bedienen“ ist aber auch auffälligstes Merkmal der modernen Medienkultur: sie liefert, wir nehmen auf – und manchmal sind wir damit bedient.

Damit das mediale Bedienen einen positiven Anstrich bekommt, nennen wir diese Daseinsform „Unterhaltung“. Ich denke bei dem Wort unwillkürlich auch an Unterhalt und damit Abhängigkeit. Das heißt, wer sich selbst nicht halten kann (durchaus auch im Sinne von erhalten), ist in einem Maße mehr auf andere angewiesen als es ihm eigentlich entspricht. Der Wort und Bedeutungsspieler sieht im kursiv gedruckten auch die Worte „eigen“ und „ich“ – und der Coach nutzt es als Intervention …

Die Bildungschance für morgen besteht also darin, die Weiterbildung in eine „Weiter-Bildung“ zu transformieren, damit der oder die Einzelne zu einer breiteren und größeren Handlungsfähigkeit befähigt werden. Denn neben dem äußeren Möglichkeitsraum muss auch der individuelle Systeminnenraum, der die Verhaltensmöglichkeiten und damit die Anschlussmuster an die Außenwelt generiert, entsprechend wachsen. An dieser Stelle lässt sich auf ein Zitat Heinz von Foerster verweisen oder auch Ashby’s Law, was ich mir en Detail jedoch erspare.

Bildet sich auf der Innenseiten eines (lebenden) Systems die Komplexität der Außenwelt nur unzureichend ab, dann gerät das System früher oder später in eine existenzielle Schieflage. Und dann tritt allmählich eine gewisse Abschottung, ein „Dichtmachen“ ein, d.h. der Austausch mit der Umwelt und damit die Chance auf Erhöhung der Binnenstruktur verringert sich. Die verminderte Anschlussfähigkeit erzeugt eine negative Rückkopplung, d.h. sie verstärkt diesen ausgrenzenden Prozess, bis irgendwann schließlich ein existenzielles Notprogramm getriggert wird: d.h. es treten archaische Verhaltensweisen in den (Inter)Aktionsraum, die viele andere Beobachter und Agierende in der Außenwelt schon längst vergessen glaubten (vgl. aggressive männliche Jugendliche).

Aber welcher Körper vergisst schon etwas …? Vergessen kann doch nur unser Verstand, oder nicht? Denn wer bildet sich „weiter“? Ist es bloß der Verstand, der sich ein neues Trainingsmodul „downloaded“ und schon glaubt er könne etwas? Pech, dass er dabei den Körper vergessen hat, denn ohne den läuft stets weniger und meistens gar nichts. Wenn „Handlungsmuster“ also nur mental verfügbar sind, dann sind es eben keine. Sondern es bleiben bloße Denkmuster, also Modelle, wie wir Situationen bearbeiten könnten, wenn wir uns denn in solche Situation begeben würden. „Ich könnte, wenn ich wollte …“ – so denken ja viele, altersübergreifend.

„Wenn Du wissen willst, was Du willst, dann beobachte, was Du tust“. Ein weiter-bildender Satz von Wittgenstein, da er Wille, Beobachtung und Tat unter dem Dach von Erkenntnis verschaltet.

Ein anderer Grund im konditionalen Könnte zu verweilen, kann auch gerade unsere Expertise sein, denn sie ist der Ort mit unserem größten Lernerfolg und damit unseren bewährtesten Mustern. Dieser sichere Hafen kann uns daran hindern, uns in wirklich neue Lernfelder zu begeben bzw. uns dort auch zu bewegen. Solche eine Querbewegung bedeutet Risiko, verlangt daher Mut und muss Mann oder Frau somit wirklich wollen; denn sie ist mit Verlustängsten verbunden: von real monetär bis hin zu real blamabel.

Wirksame „Weiter-Bildung“ sollte daher die realen Anschlussfelder in der Breite auf der Innenseite der Einzelnen generieren, denn nur das schafft den integrativen Kitt, den eine hoch diverse und hoch komplexe Gesellschaft unserer Zeit notwendig braucht, also um Nöte zu wenden. Erst durch ein Weiter an Stelle eines Enger wird Orientierung möglich, auf der individuellen Ebene wie auf der gemeinsamen. Zwischenräume sind im Gegensatz zu Räumen stärker flankiert, sie ermöglichen Bewegung und geben zugleich Halt; daher wirken sie Sinn-stiftend.

Die gängige Raumkultur wird von Experteninseln aufgespannt, gerade auch in der Bildung. Und es sind deren Leuchttürme, die einerseits umherirrenden Reisenden Rettung versprechen, und die gleichzeitig, zur anderen, unsicheren Seite hin, in kurzen Abständen bloß, in das wilde Zwischenraumdunkel des unwägbaren Meeres hinein blitzen. Einige  Inselbewohner ahnen zwar um die Mächtigkeit dieses Zwischenraumes, ihn jedoch eher fürchtend und eigene Werte auflösend als neue Werte schöpfend.

„Weiter-Bildung“ braucht daher den Mut, dem Querdenken auch ein Querhandeln folgen zu lassen, damit dem Zwischenraumdunkel „neues Land“ abgewonnen werden kann. Es braucht mehr und kompetente und mutige Zwischenraumfahrer …